Der 31. Mai 1876. Der Tod des Trierer Bischofs Eberhard im Spiegel Koblenzer Zeitungen
Der 31. Mai 1876 war ein sonniger Frühlingstag, der in zwei Koblenzer Tageszeitungen völlig unterschiedlich bewertet wurde. Während in der "Coblenzer Zeitung" die kleinen alltäglichen Ereignisse im Vordergrund standen, war die Schwerpunktsetzung in der der katholischen Zentrumspartei nahestehenden "Coblenzer Volkszeitung" eine andere. Die Volkszeitung, die sich während des Kulturkampfes mit behördlichen Verboten und Beschränkungen auseinanderzusetzen hatte, stellte den Tod des Trierer Bischofs Eberhard in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung, der als Gegner der staatlichen Maßnahmen gegen die katholische Kirche zu einer wichtigen Persönlichkeit des politischen Katholizismus geworden war.
Der 31. Mai des Jahres 1876 war ein sonniger Mittwoch. Die anhaltende warme Witterung veranlasste die "Coblenzer Zeitung", die seit dem 1. Januar 1850 von dem Verleger Caspar Doetsch in der Krabbenschen Buchhandlung herausgegeben wurde, auf die zahlreichen "Garten-Concerte" aufmerksam zu machen, die um diese Jahreszeit angeboten wurden. Für den folgenden Donnerstag konnte ein Konzert des Musikkorps in den Rheinanlagen und für den 7. Juni die erste "Garten-Harmonie" mit Tanz angekündigt werden. Natürlich fand sich im Lokalteil der Zeitung auch ein Hinweis auf die Übungen der städtischen Feuerwehr und Berichte über Unglücksfälle, die sich in Koblenz und der unmittelbaren Umgebung ereignet hatten. Neben einem Bericht über einen in dem Steinbruch in der Laubbach beschäftigten Arbeiter, der durch eine "herabstürzende Steinmasse" getötet worden war, haben die meisten anderen Berichte einen wesentlich belangloseren Hintergrund. "Ein hiesiger Gewerbeschüler hatte gestern Morgen das Unglück, auf der Schiffbrücke zu fallen und sich so erheblich am rechten Ellenbogen zu verletzen, daß er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußte. - Als gestern Morgen eine Dame die Castorpfaffenstraße passirte, wurde sie plötzlich aus einer oberen Etage eines dort gelegenen Hauses mit einer Flüssigkeit übergossen, in Folge dessen ihr seidenes Kleid so befleckt wurde, daß dasselbe total verdorben ist. Dem betreffenden Contravenienten wird dies theuer zu stehen kommen."
Ebenso wie in der Ausgabe der "Coblenzer Volkszeitung" vom gleichen Tage nahm neben den lokalen Nachrichten natürlich auch der Anzeigenteil einen breiten Raum in der Tageszeitung ein. Während aber die erste Seite der "Coblenzer Zeitung" von der Berichterstattung wenig bedeutender politischer Ereignisse geprägt wurde, stand in der "Coblenzer Volkszeitung" der plötzliche Tod des Trierer Bischofs Mathias Eberhard am 30. Mai 1876 im Vordergrund. Dr. Franz Aloys Duhr, seit dem Jahr 1850 leitender Arzt des Bürgerhospitals in Koblenz, hatte im Jahr 1871 mit der Unterstützung des "Katholischen Lesevereins" die Handelsfirma "Duhr und Comp." gegründet, die seit dem 1. Januar 1872 die "Coblenzer Volkszeitung" herausgab. Die Zeitung wurde mit dem Anspruch ins Leben gerufen "auf allen Gebieten der Religion, des Rechtes, der Gesetzgebung und des öffentlichen Lebens auftauchende Fragen vom katholischen Standpunkt auffassen und ihren Lesern die geeigneten Gesichtspunkte zur sicheren Beurteilung bieten" zu wollen.
Während des sogenannten "Kulturkampfes" stand diese Zeitung von Anfang an unter der besonderen Beobachtung der Behörden. Die Auseinandersetzung zwischen der von den Nationalliberalen unterstützten Staatsregierung und dem politischen Katholizismus gipfelten im Jahre 1873 in den im preußischen Landtag verabschiedeten "Maigesetzen", die das staatliche Aufsichtsrecht über die Kirche verstärkten. Als Blatt der katholischen Zentrumspartei hatte sich die "Coblenzer Volkszeitung", die bereits zwei Wochen nach ihrer ersten Ausgabe über 1.600 Abonnenten verfügte, mit behördlichen Verboten und Beschränkungen auseinanderzusetzen. In den Jahren 1874 und 1875 musste der Herausgeber der Zeitung Dr. Duhr jeweils eine Gefängnisstrafe von vierzehn Tagen verbüßen. Auch in der Ausgabe vom 31. Mai 1876 findet sich ein Hinweis auf die gegen die Zeitung gerichteten Maßnahmen der Regierung. Es wurde darüber informiert, dass die "Königliche Staatsregierung" gegen den Freispruch in dem "Preßprozess gegen unseren früheren Redacteur Herrn Haupts" Berufung eingelegt habe.
Vor diesem Hintergrund ist es zu verstehen, dass der Tod des Trierer Bischofs einen derart breiten Raum in der Berichterstattung dieser Zeitung einnahm. Der am 1. November 1815 in Trier geborene Geistliche war am 7. April 1862 zum Weihbischof von Trier ernannt worden. Nachdem Eberhard die "Maigesetze mit all ihren kirchenfeindlichen Bestimmungen" ignorierte und seine Aufgaben auch weiterhin ohne Beachtung der staatlichen Vorgaben durchführte, wurde er zu zahlreichen Geldbußen und schließlich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Als erster Bischof der Stadt Trier verbrachte Eberhard vom 6. März bis zum 31. Dezember 1874 neun Monate im Gefängnis, wodurch sein Ansehen in der Diözese und bei den Anhängern des Katholizismus deutlich stieg. Dementsprechend war die Resonanz auf seinen plötzlichen Tod. Anders als in der "Coblenzer Zeitung", wo der Tod des Bischofs lediglich in einer kurzen Mitteilung erwähnt wurde, stand dieser Trauerfall und der Rückblick auf das Leben des Bischofs in der "Coblenzer Volkszeitung" mehrere Tage im Mittelpunkt.
Der 31. Mai 1876 war ein Tag, der in zwei Koblenzer Tageszeitungen unterschiedlich bewertet wurde. Während in der "Coblenzer Zeitung" die alltäglichen Ereignisse im Vordergrund standen, ist die Schwerpunktsetzung in der katholischen "Coblenzer Volkszeitung" mit der Berichterstattung über den Tod des Bischofs Eberhard eine völlig andere. So unterschiedlich wie sich die Zeitungen an diesem Tage präsentierten, war auch ihre weitere Entwicklung. Die "Coblenzer Zeitung" blieb mit einer Auflage, die zwischen 4.000 und 5.000 Exemplaren schwankte von den staatlichen Behörden weitgehend unbehelligt. Erst mit dem Beginn der französischen Besatzung begann auch für diese Zeitung eine Zeit der Verbote und Einschränkungen. Nach mehrmaligen Verboten stellte die Zeitung im Oktober 1923 ihr Erscheinen endgültig ein. Im Gegensatz dazu entwickelt sich die "Coblenzer Volkszeitung" zu einem wichtigen Organ des politischen Katholizismus. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Volkszeitung zu dem führenden Koblenzer Blatt, dessen Verbreitung und Bedeutung weit über den Bereich der Stadt Koblenz hinausging. Erst der Nationalsozialismus beendete die positive Bilanz der Zeitung. Seit dem Jahre 1934 sah sich das Blatt zunehmenden Repressalien gegenüber, bis der ursprüngliche Charakter der Zeitung nicht mehr wiederzuerkennen war. Am 25. April 1941 wurde ihr Erscheinen schließlich auf Weisung der Reichspressekammer endgültig eingestellt.
Quellen
- LHAKo Bestand 441, Nr. 12963. Acta, betr. die Beaufsichtigung der Tagesblätter 1850 bis 1881
- LHAKo Bestand 441, Nr. 19375. Acta betr. die Coblenzer Volkszeitung
- LHAKo Bestand 442, Nr. 2431. Acta betr. Erhebung der gegen den Bischof Dr. Eberhard in Trier auf Grund der Maigesetze von 1873 erkannten Geldstrafen
- LHAKo Bestand 602,23, Nr. 22122. Amtsgericht. Akten zum Handelsregister. Verlag Koblenzer Volkszeitung 1935 bis 1942
- LHAKo Bestand 708, Nr. 60. LB Mathias Eberhard
- StaKo Z 10 Coblenzer Zeitung 1876
- StaKo Z 10 Coblenzer Volkszeitung 1876
Literatur
- J. Herres: Das Preussische Koblenz, in: Geschichte der Stadt Koblenz. Von der französischen Stadt bis zur Gegenwart, Bd. 2, Koblenz 1993, S. 49 - 118
- H. Kampmann: Koblenzer Presse-Chronik. 80 Zeitungen aus drei Jahrhunderten; Koblenz 1988
- H. A. Winkler: Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, Bd. 1, München 2000