Der 28. Juni 1953. Das Freiherr-vom-Stein-Denkmal in Nassau
Am 28. Juni 1953 konnte dank der finanziellen Hilfe des Bundeslandes Rheinland-Pfalz das wiedererrichtete Freiherr-vom-Stein-Denkmal in Nassau der Öffentlichkeit übergeben werden. In Anwesenheit des Bundespräsidenten Theodor Heuss und des Ministerpräsidenten Peter Altmeier wurde aus diesem Anlass die Bedeutung des Reichsfreiherrn für die deutsche Geschichte betont und gewürdigt. Steins Name, der untrennbar mit der Abschaffung der bäuerlichen Erbuntertänigkeit in Preußen, der Schaffung der Städteordnung und der Einführung einer modernen Ministerialbürokratie verbunden ist, wurde am 26. Oktober 1757 in Nassau geboren und starb am 29. Juli 1831 auf Schloss Cappenberg in Westfalen.
"Das reizende Lahnstädtchen Nassau hatte am 28. Juni seinen großen Tag. Tausende von Menschen waren zusammengeströmt, um die Weihe des neuen Denkmals zur Erinnerung an Nassaus großen Sohn, den Freiherrn vom und zum Stein, mitzufeiern und auch den Bundespräsidenten zu begrüßen." Der Mann, dem diese Feierstunde und das neugestaltete Denkmal gewidmet waren und der von Bundespräsident Theodor Heuss als "eine der großartigsten Beamtenfiguren" bezeichnet wurde, war am 26. Oktober 1757 als neuntes von zehn Kindern im Stammschloss seiner Familie in Nassau geboren worden. Einem alten Reichsrittergeschlecht entstammend, wurde Heinrich Friedrich Carl von seinen Eltern, dem Kurmainzischen Kammerherrn Carl Philipp Freiherr von und zum Stein und seiner Gemahlin Henrietta Carolina geb. v. Langwerth, die eng mit der Tradition des Heiligen Römischen Reiches verbunden waren, "im Geist des Pietismus erzogen".
Stein studierte in den Jahren 1773 bis 1777 Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen, eine der jüngsten und modernsten Hochschulen der damaligen Zeit. Ein Praktikum am Reichskammergericht in Wetzlar und eine vorübergehende Tätigkeit als Jurist am Regensburger Reichstag schlossen sich an. Den Abschluss seiner Ausbildung bildete die sogenannte "Kavalierstour", die ihn an Fürstenhöfe in Frankreich, Österreich und Ungarn führte. Auf Vermittlung seiner Mutter wurde Stein im Februar 1780 von König Friedrich II. zum preußischen Kammerherrn und Referendar im Bergwerks- und Hüttendepartements ernannt. Nachdem er sich auf zahlreichen Reisen durch die preußischen Provinzen mit seiner Aufgabe vertraut gemacht hatte, wurde er zwei Jahre später zum Geheimen Oberbergrat und 1784 schließlich zum Direktor der Westfälischen Bergämter und der Mindenschen Bergwerkskommission ernannt. Dieser rasche Aufstieg setzte sich mit der Ernennung zum Ober-Präsidenten der westfälischen Kammern 1796 und zum Oberkammer- Präsidenten von Münster und Hamm im Jahre 1803 fort. Die in diesen Positionen erworbene umfangreiche Kenntnis der Verwaltungspraxis und die gesammelten Erfahrungen mit der ständischen Selbstverwaltung bereiteten Stein auf seine Tätigkeit im Kabinett des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. vor. Im Oktober 1804 wurde er als "Minister des Akzise- , Zoll-, Fabrik- und Handelsdepartements im Generaldirektorium und als Direktor der Seehandlung nach Berlin berufen." Mit seinen Bemühungen um einen wirtschaftspolitischen Reformkurs versuchte Stein Preußen auf die bevorstehende Auseinandersetzung mit Napoleon vorzubereiten. Aber vor allem mit seinen Vorschlägen für eine Umstrukturierung der überkommenen preußischen Staatsführung und der Kabinettsregierung setzte sich Stein in Opposition zu König Friedrich Wilhelm III. Als "widerspenstiger Staatsdiener" wurde er im Januar 1807 entlassen und kehrte nach Nassau zurück.
Auf der Grundlage seiner vielfältigen politischen und verwaltungsinternen Erfahrungen verfasste Stein hier im Juni 1807 eine Denkschrift mit dem Titel "Über die zweckmäßige Bildung der obersten und der Provinzial- , Finanz- und Polizeibehörden in der preußischen Monarchie", die als "Nassauer Denkschrift" bekannt wurde. Hierin forderte Stein die Selbstverwaltung für Provinzen, Kreise und Gemeinden, um durch eine Beteiligung aller Bürger eine Erneuerung des preußischen Staatslebens zu erreichen. Nach dem die Niederlage von Jena und Auerstädt durch den Tilsiter Frieden und den Verlust aller ostelbischen Besitzungen Preußens besiegelt worden war, erfolgte am 3. Oktober 1807 erneut die Ernennung zum Staatsminister.
Als leitender Minister machte er sich sofort daran, einen umfassenden Reformkurs umzusetzen. Das Edikt vom 9. Oktober 1807 hob die bäuerliche Erbuntertänigkeit in ganz Preußen auf und beseitigte alle ständischen Beschränkungen. Am 19. November 1808 folgte die Städteordnung, die immer noch die Grundlage für die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland bildet. Am 24. November folgte ein weiteres Edikt, das ein modernes Staatsministerium mit Fachressorts ermöglichte. Weitere Reformgesetze waren vorbereitet, konnten aber nicht mehr umgesetzt werden, weil es im November aufgrund eines von den Franzosen abgefangenen Briefes, in dem sich Stein über eine mögliche Volkserhebung gegen Napoleon äußerte, zu einer erneuten Entlassung des Ministers kam. Stein wurde durch Napoleon geächtet und musste nach Böhmen flüchten. Auf Einladung von Zar Alexander I. ging der Freiherr im Frühjahr 1812 nach Russland und entwickelt sich zu einem der engagiertesten Gegner Napoleons. Seiner Vermittlung war das preußisch-russische Bündnis und die Einbindung Österreichs zu verdanken. Nach dem Sieg der Alliierten über Napoleon im Oktober 1813 leitete er die vorläufige Verwaltung der von französischer Herrschaft befreiten Gebiete. Mit seinen Vorstellungen von der Notwendigkeit einer Verwirklichung der deutschen Einheit setzte sich Stein zunehmend in den Gegensatz zum österreichischen Staatskanzler Metternich und dem russischen Zaren. Am Wiener Kongress nahm Stein lediglich als Berater Alexanders teil. Seit 1818 lebte er zurückgezogen auf seinem Gut Schloss Cappenberg in Westfalen, wo er am 29. Juni 1831 auch verstarb. Nach einer feierlichen Überführung wurde er am 23. Juli 1831 in der Familiengruft der Steins in Frücht beigesetzt.
"Reichsfreiherr Heinrich Friedrich Carl vom und zum Stein ist eine große historische Gestalt. Er gilt - auch im Weltmaßstab - als ein bedeutender politischer Denker und Reformer", an den in zahlreichen deutschen Städten Denkmäler erinnern bzw. Schulen und Straßen nach ihm benannt wurden. Auch in der Geburtsstadt des Freiherrn wurde neben der Familienstammburg bereits im 19. Jahrhundert ein Denkmal errichtet, das 1872 von Kaiser Wilhelm I. eingeweiht wurde. Während des Zweiten Weltkrieges wurde dieses ursprüngliche Denkmal stark zerstört und schließlich abgerissen. Mit finanzieller Unterstützung der Landesregierung von Rheinland-Pfalz konnte in den fünfziger Jahren eine Wiedererrichtung durchgeführt werden, so dass der 28. Juni 1953 nicht nur für die Stadt Nassau, sondern für das ganze Bundesland zu einem Festtag werden konnte. In Anwesenheit des Bundespräsidenten Theodor Heuss und des Ministerpräsidenten Peter Altmeier wurde der Festakt genutzt, um die besondere Bedeutung des Freiherrn vom Stein für die deutsche Geschichte zu betonen. Altmeier machte in seiner Ansprache auf die Aktualität der Ideen Steins aufmerksam: "In einer Situation, die der heutigen nicht unähnlich ist, hat Stein den Versuch unternommen, das Volk an den Staat heranzuführen, getragen von der Einsicht, daß die beste staatliche Organisation »ungeliebt« bleibt oder gar zu einem »bloßen Apparat« einer blutleeren Verwaltung wird, wenn nicht die Gemeinschaft dahinter steht, wenn nicht das Volk durch seine tätige verantwortliche Anteilnahme dem staatlichen und gemeindlichen Organismus blutvolles Leben verleiht." Bundespräsident Heuss, der auch am 18. Mai 1953 bei der Einweihung des Deutschen Ecks das Bundesland besucht hatte, würdigte in seinen Ausführungen ebenfalls die Leistungen des Freiherrn. "Schon den Zeitgenossen war der Mann des leidenschaftlichen Planens, des nüchternen Entscheidens, des großartigen Verzichtes und der inneren Gewißheit - wie sie ihn nannten - der heimliche Kaiser."
Quellen
- LHAKo Bestand 713, Nr. 207 Staats-Zeitung. Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Juni und Juli 1953
- LHAKo Bestand 710, Nr. 1058 Photo. Einweihung des Freiherr-vom-Stein-Denkmals am 28. Juni 1953 V
Literatur
- H.-G. Borck: Staat ohne Staatsverfassung ? Preußen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,in: "...ein freies Volk zu sein !" Die Revolution von 1848/49. Begleitpublikation zur Ausstellung des Bundesarchivs in Zusammenarbeit mit dem Landeshauptarchiv und dem Stadtarchiv Koblenz. Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Bd. 77, S. 9 - 45
- W. Gembruch: Freiherr vom Stein und Nassau, in: Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, Bd. 85, Wiesbaden 1974, S. 133 - 150
- F. Herre: Freiherr vom Stein. Sein Leben - seine Zeit, Köln 1973
- A. Martin: Der Freiherr Karl vom und zum Stein, in: Vor-Zeiten. Geschichte in Rheinland-Pfalz, hg. v. D. Lau und Franz-Josef Heyen, Bd. II, Mainz 1986, S. 157 - 176
- K.-H. Schönrock: Freiherr vom Stein. Der "große Sohn" der Stadt Nassau, in: Internetseiten der Verbandsgemeinde Nassau, Geschichte der Stadt Nassau