Der 27. Juli 1952. "Alte Stadt am großen Strom". Würdigung der Stadt Andernach in der "Staatszeitung"
"Geschichte und Gegenwart" der Stadt Andernach standen im Mittelpunkt eines Artikels, der am 27. Juli 1952 in der rheinland-pfälzischen "Staatszeitung" erschien. Dieser Artikel bildete den Abschluss einer Serie, die der Bevölkerung des relativ jungen Bundeslandes die unterschiedlichen Regionen mit ihren Städten nähergebracht hatte. Der ausführliche Rückblick auf die Vergangenheit der Stadt begann mit den keltischen Ursprüngen und bot einen anschaulichen Überblick über die einzelnen Phasen und Höhepunkte der Stadtentwicklung. Aber auch die aktuellen Probleme der Nachkriegszeit mit denen sich die traditionsreiche Kommune auseinanderzusetzen hatte, blieben dem interessierten Leser nicht vorenthalten.
Als krönender Abschluss einer interessanten und informativen Serie über die Städte in Rheinland-Pfalz erschien am 27. Juli 1952 ein ausführlicher Artikel über Andernach in der "Staatszeitung". Das Informationsblatt der rheinland-pfälzischen Regierung hatte mit dieser Artikelreihe der Bevölkerung des relativ jungen Bundeslandes einen Querschnitt durch die unterschiedlichen Regionen und die Geschichte ihrer Städte geboten, wodurch ein kleiner Beitrag zur Identifizierung mit dem "konstruierten" noch weitgehend unvertrauten Bundesland geleistet werden sollte. Wie auch bei anderen Städten zuvor, bot auch dieser Beitrag einen sehr ausführlichen und anschaulichen Überblick über die Vergangenheit und die Gegenwart der "alten Stadt am großen Strom", Andernach.
Wie kaum ein anderer Ort wurde Andernach und seine Entwicklung durch die Landschaft geprägt, in der die Stadt entstand. "Andernach gehört seiner Lage, seinem Alter und seiner wechselreichen großen Geschichte nach zu den markantesten kreisangehörigen Städten des Landes Rheinland-Pfalz. Die Stadt liegt am Nordwestende des Neuwieder Beckens, eines uralten Siedlungsraumes und einer wichtigen Übergangsstelle über den Strom in ostwestlicher Richtung. Gleich unterhalb der Stadt treten die Schiefergebirge wieder hart an den Strom heran, auf der Andernacher Seite der Krahnenberg, der von dem 1520 von Koblenz zu Schiff kommenden Albrecht Dürer wert befunden wurde, in einer Skizze festgehalten zu werden, auf der anderen Seite des Engwetter. Krahnenberg und Engwetter bilden hier einen der wichtigsten Rheinpässe, die \'Andernacher Pforte\' oder das \'Andernacher Loch\'. Dieser Lage verdankt Andernach seine strategische und wirtschaftliche Bedeutung in der vorrömischen, römischen und mittelalterlichen Zeit. Mit Koblenz kontrollierte Andernach die Rheinübergänge innerhalb des Neuwieder Beckens und konnte vermöge seiner Lage am Engpaß jeden Verkehr stromauf- und stromabwärts sperren. Zugleich war es der natürliche Umschlagplatz für die Erzeugnisse des fruchtbaren Maifeldes und der Vordereifel, da an der tiefsten Stelle am Rheinufer, die von Trier über Lützerath führende uralte Straße mündete, die hier auf die Rheintalsperre stieß."
Als Antvnnacvm war der Name der heutigen Stadt bereits Ende des 3. Jahrhunderts bekannt, wie ein in Belgien entdeckter römischer Meilenstein und ein römisches Straßenverzeichnis mit Orts- und Entfernungsangaben beweisen. Der Name der Siedlung ist allerdings ungefähr 300 Jahre älter und keltischen Ursprungs. In das Scheinwerferlicht der Geschichte rückte Andernach allerdings erst durch den militärischen Vorstoß der Römer an den Rhein etwa 50 v. Chr. Rund 500 Jahre war der Ort ein Teil des römischen Imperiums und erlangte besonders in dieser Zeit als Hafen und Umschlagplatz für den Im- und Export eine nicht geringe Bedeutung. Um 460/70 begann die Herrschaft der Franken im Gebiet des nördlichen Mittelrhein. "Die Stadt wurde villa regia, also Residenz, in der die Herrscher gerne weilten, wie uns Venantius Fortunatus in seinem Gedicht \'De navigio suo\' berichtet. Nachdem Andernach rund 700 Jahre zum Krongut gehörte schenkte Kaiser Friedrich I. Barbarossa den aufstrebenden Königshof am 1. August 1167 dem Erzbischof von Köln, Rainald von Dassel. "Beim Erzstift Köln blieb Andernach von 1167 bis zum Ende des alten Reiches, also etwas mehr als wieder 700 Jahre. Es ist die Epoche aus der die alten und markanten Bauten des alten Andernach stammen, die noch heute Zeugnis geben von Bedeutung und Wohlstand dieser Stadt als Eckstein - als lapis angularis - des Erzstiftes Köln, wie Andernach in einer Urkunde Erzbischof Wikbolds aus dem Jahre 1300 bezeichnet wird."
Nachdem Andernach im Wechselspiel der Geschichte bis ins 18. Jahrhundert "fast auf den Stand eines kleinen Ackerstädtchens" abgefallen war, kamen 1794 die Franzosen und Andernach wurde Sitz einer Mairie. Im Jahre 1815 fiel die Stadt schließlich unter preußische Herrschaft und wurde "Landstadt im Kreise Mayen". "Trotz aller Nöte der Zeit nach 1815 regte sich bald wieder die Kraft der Bürger. Die den Verkehr hindernden Tore und Mauern wurden zum Teil niedergerissen. Langsam stieg die Einwohnerzahl, machte der Handel infolge der günstigen Verkehrslage am Rhein Fortschritte. Andernach wurde wieder bevorzugter Umschlagplatz für die landwirtschaftlichen und industriellen Erzeugnisse der Vordereifel, wieder ein Tor der Eifel. ... Die beiden Weltkriege konnten diesen Fortschritt wohl verzögern, aber nicht dauernd unterbinden."
Der Zweite Weltkrieg endete in Andernach am 9. März 1945 mit der Besetzung durch amerikanische Soldaten. Am 10. Mai erhielt Frankreich von den Amerikanern eine eigene Besatzungszone, zu der auch der Regierungsbezirk Koblenz und damit auch der Kreis Mayen und die Stadt Andernach gehörten. Hunger, Rationierung, Schwarzmarkt und "Mundraub" prägten auch in Andernach die ersten Nachkriegsjahre. Allerdings konnte sich die "alte Stadt am großen Strom" bereits in dem Artikel der "Staatszeitung" aus dem Jahre 1952 als eine aufstrebende Kommune präsentieren, die sich langsam zu einem der führenden Umschlagplätze für Bims, Trass und Lavalit entwickelte. Aufgrund der umfassenden baulichen, gesellschaftlichen und politischen Wiederaufbauleistungen innerhalb der Stadt, zog die "Staatszeitung" ein überaus positives Fazit. " In Andernach reichen sich also die historische Vergangenheit und eine der Zukunft aufgeschlossene Gegenwart die Hand. Immer mehr verschwinden trotz der erwähnten Sorgen und der auch hier zutage tretenden Schwierigkeiten die Zerstörungen des zweiten Weltkrieges und die Nachkriegswirkungen. ... Im Schatten der vertrauten historischen Baudenkmäler aber läßt es sich gut leben, ein reizvolles Leben, rege und traulich zugleich. Frohsinn und Gewerbefleiß kennzeichnen den Bürger der Stadt. Gastlichkeit und Heiterkeit lassen die Fremden gern in ihr verweilen. Andernach ist ebenso stolz auf seine historische Vergangenheit wie zuversichtlich hinsichtlich seines weiteren Aufstiegs. Möge sich immerdar der Wunsch erfüllen, den das alte Stadtsiegel trägt: Gottes Gnad und Allmacht schütze Dich, Stadt Andernach."
Quellen
- LHAKo Bestand 612. Stadt Andernach 1236 - 1945
- LHAKo Bestand 708, Nr. 342.100. Andernach. Allgemeine Ortsbeschreibung und Ortsgeschichte
- LHAKo Bestand 708, Nr. 342.105. Andernach. Vereine und Volksfeste.
- LHAKo Bestand 708, Nr. 342.106. Andernach. Verschiedenes
- LHAKo Bestand 710, Nr. 2195. Andernach um 1840
- LHAKo Bestand 710, Nr. 5355. Besetzung Andernachs durch die Amerikaner, 1945
- LHAKo Bestand 710, Nr. 6390. Andernach
Literatur
- Andernach. Geschichte einer rheinischen Stadt, hg. v. Franz-Josef Heyen, Andernach 1988
- F.-J. Heyen: Andernach - Geschichte einer rheinischen Stadt, in: Vor- Zeiten. Geschichte in Rheinland-Pfalz, hg. v. D. Lau und F.-J. Heyen, Bd. IV, Mainz 1988, S. 105 - 140
- Hans Hunder: Andernach. Darstellungen zur Geschichte der Stadt, hg. von der Stadtverwaltung Andernach, Andernach 1986