Der 20. September 1949. Rheinland-Pfalz und die erste Bundesregierung
Am 20. September stellte der am 15. September gewählte Bundeskanzler Konrad Adenauer die erste westdeutsche Regierung der Öffentlichkeit vor. In dem Koalitionskabinett waren Minister von CDU/CSU, FDP und Deutscher Partei vertreten. Aber obwohl die rheinland-pfälzische CDU überproportional zu dem Wahlerfolg der Partei auf Bundesebene beigetragen hatte, blieb sie bei den Personalentscheidungen für die Regierungsbildung unberücksichtigt. Die Reaktion des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten macht die politischen Gegensätze deutlich, die mit der Koalitionsfrage bei der Bildung der ersten deutschen Bundesregierung zusammenhingen.
Die Wahl zum ersten Bundestag der Bundesrepublik Deutschland fand am 14. August 1949 statt. CDU/CSU erreichten bei dieser Wahl insgesamt 31,0 % der abgegebenen Stimmen und erhielten damit 139 der 402 Bundestagsmandate. Der Stimmenanteil der SPD blieb mit 29,2 %, auf die 131 Abgeordnetensitze entfielen, leicht dahinter zurück. In Rheinland-Pfalz hatte die CDU einen Stimmenanteil von 49,1 % erreicht. Sie erhielt damit 18,1 % mehr als die CDU im Bundesdurchschnitt und erreichte von den 25 Mandaten, die am Mittelrhein für den Bundestag zu vergeben waren, mehr als die Hälfte, insgesamt 13. Gegenüber der Landtagswahl des Jahres 1947 hatte die CDU noch einmal 1,9 % dazugewinnen können. Die SPD konnte in Rheinland-Pfalz 29,6 %, die FDP 15,8 % und die KPD 6,2 %, der abgegebenen Stimmen für sich verbuchen.
Am 7. September trat der erste Deutsche Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen, wenige Stunden nach der ersten Sitzung des Bundesrates. Am 12. September wählte die Bundesversammlung den ersten Bundespräsidenten, Theodor Heuss, und am 15. September wählte der Bundestag den ersten Bundeskanzler, Konrad Adenauer, der am 20. September sein Kabinett, die erste Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Öffentlichkeit vorstellte.
Obwohl die rheinland-pfälzische CDU unter der Führung des Ministerpräsidenten Peter Altmeier in einem erheblichen Umfang zu dem Wahlerfolg auf Bundesebene beigetragen hatte, blieb das junge Bundesland bei den Personalentscheidungen für die Regierungsbildung unberücksichtigt. Als die erste Koalitionsregierung aus CDU/CSU, FDP und Deutscher Partei vereidigt wurde, war kein Minister aus Rheinland-Pfalz darunter. Bereits Anfang September hatte Peter Altmeier versucht, auf die Diskussionen über die Zusammensetzung der Regierung Einfluss zu nehmen. Mit dem Hinweis auf den überproportionalen Beitrag der CDU in der französischen Zone für das Bundesergebnis bat Altmeier den Bundeskanzler bei den Personalentscheidungen für Fraktion und Regierung auch an Parteifreunde aus Rheinland-Pfalz zu denken. Altmeier, der betonte, das er selber keinerlei Ambitionen habe, eine Position auf Bundesebene anzustreben, machte mit Alois Zimmer und Johann Junglas darüber hinaus auch zwei konkrete Personalvorschläge.
Die Bitte des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten hatte allerdings lediglich in Bezug auf die Beamtenschaft der Ministerien Erfolg. Neben der schwierigen Regierungsbildung, bei der nicht nur die einzelnen Bundesländer sondern vor allem die Koalitionspartner zu berücksichtigen waren, sind auch die Diskussionen um die Koalitionsfrage innerhalb der CDU als Ursache für die mangelnde Präsenz der Rheinland-Pfälzer auf Bundesebene anzusehen. Peter Altmeier und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Karl Arnold galten in der CDU 1949 als die Hauptvertreter einer großen Koalition. Adenauer, der ein bürgerliches Regierungsbündnis favorisierte und durchsetzte, war sicherlich nicht daran interessiert, einen Vertreter dieser innerparteilichen Opposition in seiner Regierung zu haben.
Eine Ausnahme bildete allerdings Franz-Josef Würmeling. Würmeling, der im August in den Bundestag gewählt worden war, trat im Herbst 1949 als Staatssekretär in das Bundeskanzleramt ein. Er verzichtete zwei Monate später aber auf dieses Amt, um innerhalb der CDU Bundestagsfraktion seine Position ausbauen zu können. 1953 wurde Würmeling zum Bundesminister für Familienfragen ernannt und blieb bis 1962 Mitglied des Kabinetts. Würmeling war als Gegner der großen Koalition für Adenauer die geeignete Persönlichkeit, um in dem von einer großen Koalition regierten Rheinland-Pfalz für eine bürgerliche Koalition zu werben. Adenauer, der sich durch die Angleichung der Länderkoalitionen an den Bund, eine Stabilisierung der Bundesregierung durch eine zuverlässige Mehrheit im Bundesrat erhoffte, erreichte in Rheinland-Pfalz trotz der Unterstützung durch Franz-Josef Würmeling nicht das erwünschte Ziel. Der Bundeskanzler nannte als Gründe für seine Bitte nach einer Änderung der Koalition neben der Notwendigkeit, die Bonner Koalition zu stärken, die Erfahrungen aus der Wahlstatistik. Es habe sich gezeigt, dass die CDU überall dort Wähler verliere, wo sie mit der SPD zusammen regiere. Dieses Argument traf aber in Rheinland-Pfalz nicht zu, wo die CDU trotz großer Koalition stärker geworden war. Altmeier sah sich auch dadurch in seiner Auffassung bestätigt, dass durch eine Regierungsbeteiligung der SPD eine Stabilisierung und Konsolidierung des jungen Bundeslandes zu erreichen sei, und hielt dementsprechend weiterhin an der großen Koalition fest.
Quellen
- LHA Koblenz Bestand 700,169 Nr. 234. Nachlass Peter Altmeier
- LHA Koblenz Bestand 713, Nr. 40. Rheinisch-Pfälzische Landeszeitung 1949
- LHA Koblenz Bestand 713, Nr. 73. Rhein-Zeitung (Ausgabe Hunsrück) 1949
- LHA Koblenz Bestand 710, Nr. 4579. Photo von Franz-Josef Würmeling
- Konrad Adenauer: Erinnerungen 1945 - 1953, Stuttgart 1965
- Konrad Adenauer, Rhöndorfer Ausgabe. Briefe 1949 - 1951. Hg. v. R. Morsey und H.-P. Schwarz. Bearbeitet von H. P. Mensing, Berlin 1985
- U. Wengst (Bearb.) Auftakt zur Ära Adenauer. Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung 1949. Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Vierte Reihe, Bd. 3, Düsseldorf 1985
Literatur
- H. Kaack/U. Sarcinelli: Parteien und Wahlen. Zur Entwicklung des Parteiensystems in Rheinland-Pfalz, in: 40 Jahre Rheinland-Pfalz. Eine politische Landeskunde. Hg. v. P. Haungs, Mainz 1986, S. 131 - 172
- H. Küppers: Staatsaufbau zwischen Bruch und Tradition. Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz 1946 - 1955
- Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Bd. 14, Mainz 1990
- R. Morsey: Die Bildung der ersten Regierungskoalition 1949. Adenauers Entscheidungen von Frankfurt und Rhöndorf am 20. und 21. August 1949, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 34, 1978, S. 3 - 14
- R. Morsey: Föderalismus im Bundesstaat. Die Rolle des Ministerpräsidenten und des Landes Rheinland Pfalz bei der Gründung und in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland, in: Rheinland-Pfalz. Der Minister der Bundesangelegenheiten (Hg.): 40 Jahre Rheinland-Pfalz. Beiträge zur Geschichte des Landes, Bonn 1987, S. 9 - 35
- U. Wengst: Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953. Zur Geschichte der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland. Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 74, Düsseldorf 1984
- U. Wengst: Adenauers erste Koalitions- und Regierungsbildung im Spätsommer 1949, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 1985, B 18, S. 3 - 14, Bonn 1985