Der 19. Juni 1850. Die Aufhebung des Kriegszustandes in der Pfalz
Am 19. Juni 1850 beendete eine königliche Verfügung den Kriegszustand in der Pfalz, der als Reaktion auf die revolutionären Ereignisse in diesem Teil des Königreichs Bayern am 16. Juni 1849 verhängt worden war. Die oppositionelle Grundstimmung der Pfälzer, die seit dem Hambacher Fest im Jahre 1832 immer wieder die Besorgnis der Münchner Regierung geweckt hatte, entlud sich im Mai 1849 in einem Aufstand. Auslöser war die Ablehnung der Reichsverfassung und der Grundrechte durch Bayern. Mit der Bildung einer provisorischen Regierung sollte die Anerkennung der Reichsverfassung und die Loslösung der Pfalz von Bayern erreicht werden. Nachdem preußische Truppen in nur wenigen Tagen den Aufstand gewaltsam niedergeschlagen hatten, verhängte der Oberbefehlshaber der bayerischen Truppen den Kriegszustand und leitete eine kompromisslose Reaktionspolitik ein, die auch nach der Aufhebung des Kriegszustandes konsequent fortgeführt wurde.
Das als "Aufbruchstimmung" und als "erste Massendemonstration für die Einheit und Freiheit Deutschlands" charakterisierte Hambacher Fest im Frühjahr 1832 hatte zu einer Politisierung der Gesellschaft geführt, die auch durch die Restaurationspolitik des Deutschen Bundes nicht wieder vollständig rückgängig gemacht werden konnte. Die Begeisterung des Jahres 1832 blieb im Bewusstsein der Pfälzer Bevölkerung sehr lebendig. Die Hambacher Leitfiguren und Ideen behielten in der Region eine nicht unerhebliche Popularität, die besonders 1849 wieder deutlich zum Ausbruch kam. In der Pfalz, die seit 1816 zum Königreich Bayern gehörte, entwickelte sich auf dieser Grundlage einer der Höhepunkte der Revolution von 1848/49 im Gebiet des heutigen Bundeslandes Rheinland-Pfalz.
Auslöser für den revolutionären Aufstand in der Pfalz, der im Mai 1849 begann, war die Ablehnung der Reichsverfassung durch den neuen bayerischen König Maximilian II.. Die Mehrheit des Landtages, der am 7. Dezember 1848 neu gewählt worden war, befürwortete aber die Annahme der Reichsverfassung. Aus diesem Grunde vertagte die bayerische Regierung das Parlament für mehrere Monate. Die pfälzische Bevölkerung reagierte darauf vorerst im Rahmen der Gesetze mit einem "Adressensturm". Mit einer Vielzahl von Eingaben wurde versucht, den König dazu zu bringen, den Landtag wieder einzuberufen und die Reichsverfassung anzunehmen. Als sich das Scheitern dieses legalen Protestes abzeichnete, kam es am 2. Mai zur Wahl eines Provisorischen Landesverteidigungsausschusses, der die Annahme der Reichsverfassung durch das Volk in die Wege leiten sollte. Mit der Einsetzung einer provisorischen Regierung in Kaiserslautern am 17. Mai 1849 verfolgte eine knappe Mehrheit von Demokraten neben der Anerkennung der Reichsverfassung das Ziel einer Loslösung der Pfalz von Bayern.
Die ehrgeizigen Pläne der provisorischen Regierung, die Pfalz gemeinsam mit Baden zu einem Zentrum der deutschen Revolution zu machen, scheiterten allerdings sehr schnell an der eigenen Desorganisation und anhaltenden Kompetenzstreitigkeiten. Preußische Truppen, die am 14. Juni in die Pfalz einmarschierten, nachdem die bayerische Regierung um Unterstützung gebeten hatte, konnten den Aufstand dementsprechend in nur wenigen Tagen gewaltsam beenden. In München, wo man ein gemeinsames Vorgehen beabsichtigt hatte, war man über den schnellen Alleingang der Preußen äußerst verstimmt. Erst am 16. Juni trafen die bayerischen Truppen unter ihrem Oberbefehlshaber Fürst von Thurn und Taxis in Oppenheim ein, während die preußischen Truppen vereinbarungsgemäß abzogen.
Der Fürst verhängte über sämtliche Gemeinden des pfälzischen Kreises den Kriegszustand und begann umgehend mit der Wiederherstellung von "Ruhe und Gehorsam". Bereits im Juli wurde eine umfassende Überprüfung aller Beamten und Staatsbediensteten, die Verfolgung und Verurteilung der revolutionären Aktivisten und die Unterdrückung des pfälzischen Presse- und Vereinswesens eingeleitet. Thurn und Taxis wurde hierbei von dem neu ernannten Regierungspräsidenten Johann Baptist von Zanetti unterstützt.
Die bayerische Regierung, die in der Pfalz einen scharfen Reaktionskurs erwartete, löste Zanetti allerdings bereits im April 1850 wieder ab. Der Regierungspräsident hatte sich bei seinen Maßnahmen um einen ausgleichenden Kurs bemüht. Sein Nachfolger Gustav von Hohe galt in der Pfalz sehr schnell als der Inbegriff der Reaktion. Ihm gelang es, die Erwartungen aus München zu erfüllen. Die Aufrechterhaltung des Kriegszustandes wurde nicht mehr als notwendig angesehen. Am 19. Juni 1850 beendete eine königliche Verfügung diesen Sonderstatus, wobei allerdings die Städte Landau und Germersheim mit ihren Festungen sowie Pirmasens und Kaiserslautern ausgenommen wurden. In den Städten hatte sich das stärkste oppositionelle Potential gezeigt. Die kompromisslose Politik des neuen Regierungspräsidenten verfehlte ihre Wirkung nicht. "Die früher so gefürchtete oppositionelle Grundstimmung der Pfälzer verschwand. [...] Die vielfältigen Straf- und Disziplinierungsmaßnahmen, die von der Regierung in München bzw. Speyer ab dem Sommer 1949 ergriffen wurden, veränderten das politische Klima in der Pfalz nachhaltig." Erst mit dem Rücktritt des Ministeriums von der Pfordten (1859) bzw. mit der Ablösung von Hohes (1866) endete die Reaktionszeit in der Pfalz, die durch den Aufstand vom Mai 1849 eingeleitet worden war.
Quellen
- LHAKo Bestand 403, Nr. 2554. Acta des rheinischen Oberpräsidiums betr. die Insurrection in Rheinbaiern und Baden im Mai/Juni 1849 und die Verfolgungder bei derselben betheiligten preußischen Unterthanen
- LHAKo Bestand 708, Nr. 400,1. Pfalz. Geschichtliche Einzelfragen
- LHAKo Bestand 710, Nr. 2815. Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße
- LHAKo Bestand 713, Nr. 10. Anzeigenblatt für Rheinhessen vom 26.06.1850
- LHAKo Bestand 713, Nr. 33. Neue Rheinische Zeitung vom 10.05.1849
Literatur
- H.-G. Borck, A. Grosche, D. Kerber und M. Koelges: "...ein freies Volk zu sein!" Die Revolution von 1848/49. Begleitpublikation zur Ausstellung des Bundesarchivs in Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv und dem Stadtarchiv in Koblenz. Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung, Bd. 77, Koblenz 1998
- H.-J. Busley: Das pfälzisch-bayerische Verhältnis in der Revolutionszeit 1848/49 in H. Fenske (Hg.), Die Pfalz und Bayern 1816 - 1956. Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Bd. 94, Speyer 1998, S. 67 - 101
- Die pfälzische Revolution 1848/49. Quellen und Dokumente. Staatliches Institut für Lehrerfort- und Weiterbildung Speyer. Studienmaterial, Bd. 158, Speyer 1998
- Die Pfälzische Revolution 1848/49. Hg. im Auftrag der Stadt Kaiserslautern und des Bezirksverbandes Pfalz von E. Schneider und J. Keddigkeit, Kaiserslautern 1999
- K.-G. Faber: Die Revolution von 1848/49 in Rheinhessen und in der Pfalz, in: F. petri u. G. Droege, Rheinische Geschichte, Düsseldorf 1976, S. 395 - 402
- H. Ziegler: Die Jahre der Reaktion in der Pfalz (1849-1853) nach der Mairevolution von 1849. Veröffentlichungen der pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer, Bd. 74, Speyer 1985