Der 15. September 1926. Die Grundsteinlegung für das Görres-Denkmal in Koblenz
Am 15. September 1926 fand in Koblenz die feierliche Grundsteinlegung für das Görres-Denkmal statt. Während direkt nach dem Tod des damals politisch umstrittenen Publizisten im Jahre 1848 erste Pläne zur Errichtung eines Denkmals an dem Verbot der Behörden gescheitert waren, sah die Situation 80 Jahre später völlig anders aus. Die Anregung des Koblenzer Oberbürgermeisters Karl Russell wurde von der preußischen und der Reichsregierung positiv aufgenommen und unterstützt. Im besetzten Rheinland war die feierliche Grundsteinlegung und auch die Einweihung zwei Jahre später eine willkommene Gelegenheit, die Zugehörigkeit der Rheinlande zu Deutschland zu demonstrieren.
Bereits kurz nach dem Tod des in Koblenz geborenen Publizisten und Naturwissenschaftlers Joseph Görres am 25. Januar des Revolutionsjahres 1848 gab es in seiner Geburtsstadt erste Pläne, ihm zu Ehren ein Denkmal zu errichten. Im "Koblenzer Anzeiger" vom 10. Februar heißt es: "Es ist bereits die Bemerkung gemacht worden, wie es wohl angemessen erscheine, dem sel. Prof. v. Görres hier in seiner Vaterstadt, und zwar auf dem Kastorhofe, jener ehrwürdigen Kirche gegenüber, über die ein Jahrtausend mit ihren Segnungen und Stürmen gezogen, ein Denkmal zu setzen. Wir können uns im allgemeinen nur einverstanden erklären mit diesem Vorschlage, der nicht nur hier - wo jener hochgefeierte Mann geboren wurde und seine schriftstellerische Originalität sowohl im Gebiete der Politik als in jenem der Religion entfaltete, und schon in seiner hiesigen Heimat einen europäischen Ruf erlangte -, sondern darum auch in weiter Ferne den vollsten Anklang haben wird." Auf Anregung des Stadtrates bildete sich ein Komitee, das bis 1851 genügend finanzielle Mittel zusammenbrachte, um eine Büste anzukaufen, die der aus Koblenz stammende Bildhauer Jakob Schorb bereits 1840 von Görres angefertigt hatte. Allerdings kam es nie zu einer Fertigstellung und Errichtung des Denkmals. Der preußische Innenminister untersagte diese Ehrung des kämpferischen Koblenzers.
Es sollte fast 80 Jahre dauern, bis die Idee eines Görres-Denkmals in der öffentlichen Diskussion wieder Gestalt annahm. Im Jahre 1923 regte der Koblenzer Oberbürgermeister Karl Russell die Errichtung eines Denkmals aus Anlass des 150. Geburtstages Görres im Januar 1926 an. Nachdem auch die französischen Besatzungsbehörden keine Einwände gegen diese Initiative äußerten, wurde im September 1924 ein Denkmalausschuss gebildet, der sich aus namhaften Persönlichkeiten des lokalen Lebens zusammensetzte. Unterstützt von der Görresgesellschaft und dem hochrangig besetzten Ehrenausschuss, dem neben Reichspräsident Ebert, Reichskanzler Marx und dem Kölner Erzbischof Kardinal Schulte zahlreiche andere Persönlichkeiten aus Politik, Kirche und Kultur angehörten, begann Ende des Jahres die Sammlung der notwendigen Gelder. Am 1. Dezember erschien der "Aufruf zur Errichtung eines Görresdenkmals" in der Presse.
"Heute mehr denn je ist es Pflicht, die Vorkämpfer deutscher Einheit zu ehren. Männer und Frauen haben sich deshalb zusammengetan, um dem Manne, der nur die Majestät der Wahrheit, der Tugend und des Rechtes anerkannte, an der Stätte seiner Geburt ein würdiges Denkmal zu errichten. Dazu bedarf es der tatkräftigen Hilfe des ganzen deutschen Volkes, dessen religiöser, sittlicher und nationaler Wiedergeburt Görres Lebensarbeit galt." Der Aufruf erwies sich jedoch als "vollkommener Fehlschlag". Die allgemeine schwierige wirtschaftliche Situation in Deutschland bewirkte, dass kaum Spenden eingingen. Lediglich die Förderungsgelder der preußischen und der Reichsregierung bildeten eine vorläufige Grundlage für die weiteren Planungen. Nachdem einige Künstler eingeladen worden waren, Entwürfe für das geplante Denkmal vorzulegen, entschied man sich nach längeren Diskussionen für ein Modell des Künstlers Richard Langner, Professor für Bau- und dekorative Bildhauerei an der Düsseldorfer Kunstakademie, der am 29. Juni 1926 den Auftrag zur Ausführung des Denkmals erhielt.
Im Rahmen der 50. Generalversammlung der Görresgesellschaft, die anlässlich ihres Jubiläums und des 150. Geburtstages Joseph Görres vom 11. - 16. September 1926 in Koblenz stattfand, konnte am 15. September die feierliche Grundsteinlegung für das Denkmal durchgeführt werden. Einen Tag nach der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund begannen die umfangreichen Feierlichkeiten am 11. September mit einer "Görres-Gedächtnis Ausstellung". Der eigentliche Höhepunkte der Veranstaltungsreihe war allerdings die Grundsteinlegung, die in Anwesenheit zahlreicher Gäste aus Politik und Gesellschaft stattfand. Die "Koblenzer Volkszeitung" kommentierte die Veranstaltung am 16. September: "Nach der machtvollen Kundgebung der Stadt Koblenz am gestrigen Abend [...] war diese Feier der Grundsteinlegung ein würdiger Ausklang der großen Görrestage, die wir in Koblenz erleben durften. Am deutschen Rhein, wo der Ehrenbreitstein und das Denkmal der Kämpfer von 1864/66 herübergrüßen, im Rauschen der Bäume und herbstlichen Blätterfall fand in Anwesenheit der Mitglieder der Görresgesellschaft, der Vertreter der Stadtverwaltung, des Stadtverordnetenkollegiums und zahlreicher Bürger der Stadt der denkwürdige Akt der Grundsteinlegung des neuen Görresdenkmals in den Rheinanlagen vor der Mittelachse des Schlosses statt. Unter den Ehrengästen bemerkte man insbesondere die beiden Weihbischöfe Dr. Mönch und Dr. Sträter. Die Aebte von Maria Laach und Marienstatt, als Vertreter der Behörden Staatssekretär Lammers vom Kultusministerium, Ministerialrat Geheimrat Dr. Schellberg, Oberpräsident Dr. Fuchs, Reichskommissar Botschafter Langwerth von Simmern, den Rektor der Friedrich-Wilhelm Universität Prof. Dr. Dyroff, Bonn und den Schöpfer des Denkmals Prof. Langer von der Kunstakademie Düsseldorf."
Wie das gesamte Programm der Görrestage war auch die Grundsteinlegung, die von der Öffentlichkeit besonders intensiv wahrgenommen wurde, eine willkommene Gelegenheit, um die Zugehörigkeit der besetzten Rheinlande zu Deutschland zu demonstrieren. Dementsprechend wurde die Bedeutung des Rheines für die Einheit Deutschlands in jedem Programmpunkt der Veranstaltung besonders betont. Der Koblenzer Oberbürgermeister Russell brachte diesen Aspekt, der letztendlich die Grundlage der Finanzierung und der Umsetzung des Denkmals gewesen ist, in seiner Eröffnungsrede zum Ausdruck. "Heute in Zeiten tiefster Erniedrigung Deutschlands, weigert kein Deutscher, wie auch immer er religiös-politisch eingestellt sein mag, dem großen Deutschen den ihm schuldigen Dank und die Huldigung für die reckenhafte Vertretung deutscher Art am Rhein." Auch der Text der Gedächtnisurkunde, die während des Festaktes in den Sockel des geplanten Denkmals versenkt wurde, war eine eindeutige Demonstration des rheinischen Patriotismus. "In Gottes Namen ! Zum Ehrenmal des Josef Görres, des Herolds vom Rhein, des Vorkämpfers für Wahrheit, Freiheit und Recht, wurde am 15. September 1926 der Grundstein gelegt, an einem Tage, an dem noch nicht die Sonne der vollen Freiheit dem Rhein und Deutschland leuchtete. In der Hoffnung, daß zur Freiheit des Rheins ein neuer Görres erstehe, wird dieses Denkmal errichtet."
Die endgültige Fertigstellung des Denkmals verzögerte sich durch die anhaltenden Finanzierungsprobleme. Der geplante Einweihungstermin musste mehrmals verschoben werden, bis mit zusätzlichen öffentlichen Mitteln die Finanzierungslücken weitgehend geschlossen und das fertiggestellte Denkmal am 24. Juni 1928 während eines Festaktes der Öffentlichkeit übergeben werden konnte. Ein Jahr vor dem Abzug der Franzosen aus Koblenz wurde auch die Einweihung als provokative Betonung der deutschen Einheit genutzt. Die gereizte Reaktion der französischen Behörden wurde allein schon in dem Verbot der Übertragung der Reden im Rundfunk durch Hochkommissar Tirard deutlich. Mit dem Abzug der Franzosen seit 1929 verlor das Görresdenkmal seine aktuelle politische Bedeutung. Während der nationalsozialistischen Herrschaft stand mehrmals der Abriss des "unschönen Denkmals" zur Diskussion, was allerdings verhindert werden konnte. Fast unbeschadet überstand das Monument auch den Krieg und erzählt bis heute von einem wichtigen Stück Geschichte des Rheinlandes und der Stadt Koblenz.
Quellen
- LHAKo Bestand 403, Nr. 16242. Görres-Denkmal
- LHAKo Bestand 708, Nr. 60 (LB). Goerres-Gesellschaft
- LHAKo Bestand 708, Nr. 60 (LB). Goerres-Denkmal in Koblenz
- LHAKo Bestand 708, Nr. 310,050. Stadt Koblenz. Denkmäler-Gemeinsames
- LHAKo Bestand 710, Nr. 13402. Photo des Görres-Denkmals
- LHAKo Bestand 713, Nr. 25. Coblenzer-Generalanzeiger 1926
- LHAKo Bestand 713, Nr. 47. Mittelrheinisches Volksblatt. Bopparder Volkszeitung, 1926
Literatur
- H. Bellinghausen (Hg.): 2000 Jahre Koblenz. Geschichte der Stadt an Rhein und Mosel, Boppard 1971
- H. Bellinghausen: Die Geschichte des Görres-Denkmals, in: Koblenzer General-Anzeiger, Nr. 144 vom 23./24.06.1928
- H.-G. Borck (Hg.): "... ein freies Volk zu sein!" Die Revolution von 1848/49. Begleitpublikation zur Ausstellung des Bundesarchivs in Zusammenarbeit mit dem Landeshauptarchiv und dem Stadtarchiv in Koblenz
- C. John: Im Schatten Kaiser Wilhelms. Das Koblenzer Denkmal für Joseph Görres und seine Vorgeschichte, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, 7. Koblenz 1997, S. 163 - 192
- H. A. Münster: Zur Vorgeschichte des Koblenzer Görresdenkmals, in: Görres-Beiträge. Festgabe zur Jubiläumstagung der Görres-Gesellschaft Koblenz, Koblenz 1926, S. 106 f.
- G. Reitz: Zum Görres-Denkmal in Koblenz, in: Mittelrheinische Geschichtsbilder, 11, 1926