Der 7. September 1952.
"Landschaftliche Schönheiten voller Romantik und weltberühmter Sehenswürdigkeiten, Heilbäder und Kurorte, burgenumsäumte Rebenhänge und Weingärten formen Rheinland-Pfalz zu einem Reise-, Bäder und Weinland, das in reichem Maße Erleben, Erholung und Freude schenkt. Die Gebiete Rheintal, Rheinhessen, Eifel-Ahr, Mosel-Saar, Hunsrück-Nahe-Glan, Westerwald-Lahn-Taunus und Pfalz fügen sich harmonisch zu einem bunten Mosaik zusammen. Überall wird eine überlieferte Gastfreundschaft gepflegt und der goldene Wein ist hier der nie versagende Freudenspender. Wer Geselligkeit und Abwechslung liebt, erlebt sie auf vielerlei Veranstaltungen und Heimatfesten. Tiefe Wälder und weites hügeliges Land bieten Ruhe und Entspannung. Kurorte und Bäder spenden Erholung und Heilung. In verkehrsmäßig günstiger Lage ist Rheinland-Pfalz aus allen Richtungen schnell und bequem zu erreichen. Ein dichtes Netz von Eisenbahn- und Autobuslinien erschließt das ganze Land. Rheindampfer sowie Motorboote lassen den Besucher die Landschaft in Beschaulichkeit genießen. Den Autotouristen führen Straßen zu den schönsten Punkten des Landes und die Freunde des Camping finden eine stattliche Anzahl reizvoll gelegener Zeltplätze vor. Für Wassersportler sind besonders der Rhein, die Mosel und die Lahn begehrenswerte Ziele. - Wer Rheinland-Pfalz besucht, wird es als ein beglückendes Reiseland, heilendes Bäderland und fröhliches Weinland in unvergeßlicher Erinnerung behalten."
Dieser Text stammt aus einem in fünf Sprachen verfassten Fremdenverkehrsprospekt, der am 7. September 1952 von dem Landesverkehrsverband Rheinland-Pfalz herausgegeben worden war. Trotz der zahlreichen Zerstörungen und Bombenschäden, dem vollständigen Zusammenbruch der Infrastruktur und der täglichen Notwendigkeit um das eigene und das Überleben der Familie kämpfen zu müssen, regte sich sehr schnell nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder das touristische Leben. Bereits 1947/48 gab es vor allem in dem schon vor dem Krieg bekannten Heilbädern die ersten Besucher. Aber auch an Rhein und Mosel ließen die ersten Gäste nicht lange auf sich warten. Hier waren es in der Anfangszeit fast ausschließlich Besucher aus dem benachbarten Ausland, die natürlich sehr willkommen waren, brachten sie doch vor allem die Hoffnung auf bessere Zeiten.
Die Auferstehung des Fremdenverkehrs an Rhein, Mosel und Lahn war geprägt von viel Improvisation und "der Romantik der Einfachheit." Die Anfänge waren mehr als karg! Speisen gab es nur unter Vorlage von Lebensmittelmarken, die Übernachtung kostete zwischen 2 und 3 Reichsmark. Die Gästezimmer waren oft eisig. Es gab eben keine Kohle und kein Holz zum Heizen. Die Weinvorräte wurden vorsorglich vor den Fremden versteckt. Man konnte ja nie wissen, wer sich an diesem kostbaren Gut vergreifen würde. Aber diese anfänglichen Schwierigkeiten konnten bald überwunden werden
Mit der Währungsreform kam nach und nach der wirtschaftliche Aufschwung, der seine Wirkung sofort beim Fremdenverkehr zeigte. In den sieben touristisch bedeutenden Gebieten des Landes Rheinland-Pfalz hatte der Fremdenverkehr sehr schnell hohe Zuwachsraten zu verzeichnen. Die Heilbäder mauserten sich zu mondänen Kurhotels, die vom nationalen und internationalen Jet-set geschätzt wurden. Im Jahr 1951 konnten die heimischen Heilbäder mit einer Bettenkapazität von 12.000 insgesamt 1,4. Millionen Übernachtungen verbuchen. Die wachsende Nachfrage führte Anfang der 50er Jahre auch in den anderen für den Fremdenverkehr interessanten Regionen zu einer Verdopplung der Gästezahlen und die Tendenz zeigte auch in den folgenden Jahren deutlich nach oben.
Die Reiseunternehmen erleben einen Boom und Reiseveranstalter wie Touropa und Hapag Loyd bringen die Besucher aus allen Teilen Deutschlands mit Sonderzügen zu den schönsten Orten in Rheinland-Pfalz. Dem Urlaubsanspruch der Zeit angepasst dauerte die Pauschalreise meistens eine Woche. Besonders beliebt sind die Weinfeste an Mosel und Rhein, die sich in den 50er Jahre über mangelnde Besucherzahlen keine Sorgen machen mussten. Die alte Tradition der Wein- und Winzerfeste lockte von Juli bis Oktober Ströme von Besuchern an. Besondere Höhepunkte, wie Winzertanzgruppen, die Kür junger Mädchen zu Weinköniginnen oder gar zur geheimnisvollen Loreley, die jedes Fest zu etwas ganz besonderem machten, verfehlten ihre Wirkung nicht. "Eine Winzerkönigin wird gekürt oder Gott Bacchus auf den Thron erhoben, vielleicht plätschert auch ein Brunnen, der drei Tage echten Wein spendet. Musik ertönt aus allen Gassen, und überall, ob draußen im Freien oder in den Weinstuben wird das Tanzbein geschwungen vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Nirgends sieht man auf solchen Festen Griesgrame oder Freunde von Traurigkeit."
Die weiße Flotte (LHAKo Bestand 710, Nr. 14069)
Neben dem Sonderzug mit dem sprechenden Namen "Klingender Moselländer", der seine Gäste zu den sportlichen Höhepunkten auf dem Nürburgring brachte, war die "weiße Flotte" besonders beliebt, die seit April 1949 die landschaftlichen Schönheiten des Landes eindrucksvoll präsentierte. "Auf den sanften Wellen des Stroms ziehen die weißen Schiffe talauf - talab ihre Bahn. Schlösser und Burgen, umrankt von Rebenhängen begleiten die Fahrt zu weinseligen Städtchen, zu den Zielen aus großer Vergangenheit. An Bord der schneeweißen Schiffe herrscht Ferienstimmung! Menschen aus aller Herren Länder geben sich ein Stelldichein. denn eine Schiffahrt gehört zu den größten Freuden des Urlaubs.
In unvergeßlichen Bildern offenbart sich die ganze Schönheit der Landschaft auf der romantischen Felsenstrecke zwischen Bingen und Koblenz. Edle Weine berühmter Lagen und großer Jahrgänge probiert man in den Salons der großen Schiffe. Sonnendecks laden zum erholsamen Verweilen ein." Rheinland-Pfalz wurde zu einem begehrten Reiseziel und der Fremdenverkehr zu einem der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren des Landes.
Quellen
- LHAKo Bestand 710, Nr. 2316 Foto Zelttouristen
- LHAKo Bestand 710, Nr. 14069 Die weiße Flotte
- LHAKo Bestand 710, Nr. 14076 Touristen am Deutschen Eck in Koblenz
- LHAKo Bestand 714, Nr. 2415 Fremdenverkehrsprospekte Rheinland-Pfalz
- LHAKo B 220 Kurhotel Bad Kreuznach
- LHAKo Z 74-54 Winzerfest an der Mosel
Literatur
- Ch. Becker: Die Entwicklung des Fremdenverkehrs, in: Beiträge zu 50 Jahren Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, hg. v. H.-G. Borck, Koblenz 1997, S. 293 - 314
- J. Dodt: Der Fremdenverkehr im Moseltal zwischen Trier und Koblenz. Forschungen zur deutschen Landeskunde, Bd. 162, 1967, S. 95 ff.
- H.D. Schaake: Der Fremdenverkehr in den linksrheinischen Kleinstädten zwischen Bingen und Koblenz. Arbeiten zur Rheinischen Landeskunde, Heft 31, 1971, S. 4 ff.