Der 6. Dezember 1730. Sophie von La Roche wird geboren
Am 6. Dezember 1730 wurde Sophie von La Roche als Tochter des Arztes Georg Friedrich Gutermann in Kaufbeuren geboren. Als Gattin des kurmainzischen und späteren kurtrierischen Beamten La Roche erschloß sie sich das höfische Leben und machte ihr Haus in Ehrenbreitstein zu einem geistigen und gesellschaftlichen Mittelpunkt am Rhein. Als erste deutsche Romanschriftstellerin übte Sophie eine nicht unerhebliche Faszination auf die geistige Elite ihrer Zeit aus. Diese besondere gesellschaftliche Stellung verlor sie, als ihr Mann im Jahre 1780 aus dem kurtrierischen Staatsdienst entlassen wurde. Die Herausgabe einer Zeitung bzw. das Verfassen von Texten und Reisebeschreibungen wurde von diesem Zeitpunkt zum "Broterwerb" der 1807 verstorbenen Schriftstellerin.
"Ein merkwürdiges Leben, Wirren, Glanz und Leere, Enttäuschung und Ergebung. Ein deutsches Frauenschicksal des 18. Jahrhunderts, sicher einmal insofern, als soziale Stellung, geistige Begabung, Umgang mit den besten Köpfen der Nation das Dasein der La Roche herausgehoben aus der großen Masse, und doch wohl auch wieder ein Leben für viele, da in den untersten Schichten sich das gleiche, wenn auch eben nur auf anderer Ebene, vielfach wiederholt haben wird." Sophie La Roches "merkwürdiges Leben" begann am 6. Dezember 1730 in Kaufbeuren. Sie war das erste Kind des Arztes Georg Friedrich Gutermann und seiner Frau Regina Barbara. Die von ihren Eltern in ihrem Bildungseifer sehr geförderte Sophie heiratete nach den gescheiterten Eheplänen mit dem Leibarzt des Fürstbischofs von Augsburg, Gian Lodovico Bianconi, und einer kurzen Verlobungszeit mit ihrem Cousin Christoph Martin Wieland, den geheimen Staatsrat Georg Michael Frank, genannt La Roche.
La Roche war Sekretär und Gerüchten zufolge der uneheliche Sohn des Grafen Stadion, Außenminister des Kurfürsten von Mainz. Sophie, die im Haushalt des Grafen Stadion die Repräsentationsaufgaben übernahm und ausfüllte, erschloss sich durch diese Heirat den Zugang zum höfischen Leben. Nach dem Tod des Grafen wurde La Roche im Jahre 1770 von dem jungen Kurfürsten Clemens Wenzeslaus als Minister an den kurtrierischen Hof nach Ehrenbreitstein berufen. Hier durchlief La Roche in den folgenden Jahren eine glänzende Karriere. Aber auch seine Frau Sophie hatte Erfolg. Im Frühjahr 1771, kurz nach diesem Wechsel an den kurtrierischen Hof, war der erste Roman von Sophie anonym erschienen. Die "Geschichte des Fräulein von Sternheim", die von Wieland redigiert und herausgegeben worden war, enthielt allerdings so viele Hinweise auf die Autorin, dass deren Name sehr bald allgemein bekannt war. Der Roman, mit dem Sophie "zur ersten deutschen Dichterin" wurde, erregte sehr viel Aufsehen und wurde positiv aufgenommen. "Erschien von Ihm nicht nur in kürzester Zeit mehrere neue Auflagen, sondern recht bald auch eine Übersetzung ins Französische. Eine deutsche Schriftstellerin hatte [...] den ersten von einer Frau in deutscher Sprache verfaßten Seelenroman geschrieben; und da sich in ihm Traditionelles mit Regungen mischten, die in die Zukunft wiesen, wurde er nicht nur von der älteren Generation, sondern auch von der Jugend der damaligen Jahre angenommen."
Dieses unerwartete Echo ermöglichte es Sophie von La Roche - im Jahre 1775 war dem Nobilitierungsgesuch ihres Mannes stattgegeben worden - nicht nur auch in den folgenden Jahrzehnten für ihre Schriften Verleger und ein interessiertes Publikum zu finden, es prägte auch ihr Leben am Hof in Ehrenbreitstein nicht unerheblich. Zahlreiche namhafte Zeitgenossen suchten die Bekanntschaft der Schriftstellerin. "Sophie Laroche wirkte auf die geistige Elite ihrer Zeit wie ein Magnet." Die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihres Romans 40-jährige Sophie führte im "Thal" ein offenes Haus. Die Frau des Ministers und späteren Kanzlers La Roche war der Grund und der Mittelpunkt der Geselligkeit, die hier gepflegt wurde. Diese Zusammenkünfte fanden nicht regelmäßig statt, sie richteten sich nach den Besuchen der auswärtigen Gäste, die nicht selten unangemeldet erschienen und oft von ihrer Gastgeberin für mehrere Tage untergebracht und bewirtet wurden. Die großen Namen der deutschen Literatur wie z. B. Johann Wolfgang von Goethe trafen sich in dem Haus der Familie La Roche. Andere wie Johann Gottfried von Herder, die sich aufgrund ihrer finanziellen Situation das Reisen nicht leisten konnten, ließen sich in Briefen über den Verlauf der Besuche und die Gespräche informieren. Die literarische Form der "Briefstellerei", die zu dieser Zeit gepflegt wurde, bildete in der Regel das Programm dieses "Salons". Briefe wurden nicht nur geschrieben, um von dem Empfänger gelesen zu werden, sie wurden auch vorgelesen und weitergegeben, "ja die Möglichkeit einer Veröffentlichung war in vielen Fällen von vornherein in sie einbezogen."
In diesem gastlichen Haus wurden auch die vier ältesten Kinder der La Roche-Tochter Maximiliane geboren, die wie ihre Schwester von der Mutter mit einem deutlich älteren, aber reichen Mann verheiratet worden war. Eines dieser Kinder, Clemens Brentano, der nach dem frühen Tod seiner Mutter im Jahre 1792 mit seiner Schwester Sophie im Haus der Tante in Ehrenbreitstein aufwuchs, führte die literarische Tradition der Familie fort und wurde zum "Vater der Rheinromantik".
Ihre besondere gesellschaftliche Stellung musste Sophie von La Roche im Jahre 1780 aufgeben, als ihr Mann von orthodoxen Klerikern gestürzt und aus dem Dienst des Kurfürstentums Trier entlassen wurde. Die Familie wurde von Baron von Hohenfeld, der aus Protest gegen die Entlassung von La Roche ebenfalls den kurfürstlichen Hof verließ, in seinem Haus in Speyer aufgenommen. Während sich nun der ehemalige Minister und Kanzler gänzlich ins Privatleben zurückzog, obwohl Angebote anderer Höfe vorlagen, machte Sophie die Schriftstellerei zu ihrem "Broterwerb". Im Jahre 1783 gründete sie die Monatszeitschrift "Pomona für Teutschlands Töchter". Nachdem das Blatt u. a. aufgrund finanzieller Probleme wieder eingestellt werden musste, verlegte Sophie den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die damals sehr populäre und gut bezahlte Reisebeschreibung. Ihr Mann, der sie auf ihren zahlreichen Reisen nicht begleitete, verstarb im Jahre 1788, nachdem die Familie zwei Jahre zuvor nach Offenbach übergesiedelt war.
Trotz ihrer umfangreichen schriftstellerischen Tätigkeit war das Alter der Frau, die ein Jahrzehnt lang der glänzende Mittelpunkt des Ehrenbreitsteiner Hofes gewesen war, von drückenden materiellen Sorgen überschattet. Ihre Schriften hatten nie wieder den Erfolg ihres ersten Romans erreichen können, immer mehr waren sie von dem Geschmack der Zeit überholt worden. Dies hielt Sophie La Roche aber nicht davon ab, die in Ehrenbreitstein geknüpften Kontakte zu den literarischen Größen bis ins hohe Alter aufrechtzuerhalten und teilweise zu vertiefen. Die "erste deutsche Schriftstellerin" starb im Februar 1807 im Alter von 76 Jahren.
Quellen
- LHAKo Bestand 710, Nr. 44 Ü. Clemens Brentano. Lithographie nach einem Ölgemälde von Emilie Lindner, um 1840
- LHAKo 710, Nr. 31 Ü. Blick auf Ehrenbreitstein. Photoalbum: Coblenz am Ende des 19. Jahrhunderts.
- LHAKo 710, Nr. 60 (LB). Lebensbeschreibungen. Familie v. La Roche
Literatur
- R. Asmus: G.M. De La Roche. Ein Beitrag zur Geschichte der Aufklärung, Karlsruhe 1899
- A. Bach: Aus dem Kreise der Sophie La Roche, Köln 1924
- K. Kampf: Sophie Laroche. Ihre Briefe an die Gräfin Elise zu Solms-Laubach 1787 - 1807, Offenbach/M 1965
- U. Weckel: Sophie von La Roche (1730 - 1807), in: Rheinische Lebensbilder, Bd. 17, hg. v. F.-J. Heyen, Köln 1997, S. 79 - 99
- U. Weckel: Frauen und Geselligkeitim später 18. Jahrhundert. Das offene Haus der Sophie von La Roche in Ehrenbreitstein, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Neue Folge 4, 1994, Koblenz 1994, S. 41 - 60
- K. Zimmermann: Das Haus Laroche in Ehrenbreitstein, in: Festschrift für Karl Lohmeyer, hg. v. K. Schwingel, Saarbrücken 1954, S. 213 - 218